"Mal kurz nach dem Rechten sehen"

Besuch von der Berliner Polizei in der Voltaireschule Potsdam am 10.12.2018

"Ich habe hier siebzig Fragen von Euch zum Thema Rechtsextremismus und ich kann euch jetzt schon sagen, dass ich in drei Stunden nur einen Bruchteil beantworten kann." So begann unser Gespräch mit dem uns bis dahin noch unbekannten Polizisten. Aber in diesem "Bruchteil" steckten mehr als genug wichtige und interessante Informationen zum Thema des Tages, sodass sich die gemeinsame Zeit für uns – nämlich die Geschichts- und PB-Kurse des 13. Jahrgangs, sehr spannend gestaltete.

Der Referent ermittelte seit Anfang der 90er-Jahre in Berlin gegen Rechtsextremismus (oder sah, wie er es ausdrückte, kurz nach dem Rechten) und ist seit mehreren Jahren im Innendienst tätig. Heute war es allerdings an uns, Fragen zu stellen, was wir dankbar annahmen, denn selten haben wir einen solch kompetenten, sympathischen Referenten an unsere Schule, der in einem für uns sehr ansprechenden Sprachduktus referierte.

Es interessierte viele SchülerInnen, inwiefern Rechtsextremismus auch innerhalb der Polizei ein Problem darstellt, woraufhin uns bald klar wurde, dass die Polizei (mit des "Insiders" Worten) auch nur ein Querschnitt der Gesellschaft sei und man Anhänger aller politischen Spektren finden könne. Darum war es in der Ermittlung für ihn auch so wichtig, seinen Partnern komplett vertrauen zu können – aber auch sich selbst.

Politisch neutral zu sein, sei für ihn eine große Hilfe gewesen, denn es werden auch beispielsweise mitreißende Dinge wie Musik genutzt, um Menschen gleichzuschalten, und dafür seien viele anfällig. Das konnten wir sehr gut nachvollziehen. Solche Erlebnisse aus der verdeckten Ermittlung und deren Grenzen interessierten uns besonders, und der Referent stellte diese sehr realitätsbezogen dar, sodass er den Lebensweltbezug – so nennt man das wohl im didaktischen Kontext – sehr gut erfüllte.

Wir erfuhren, dass es früher einfacher war, Gruppierungen aufzulösen, da es zentrale Personen gab, die über alle Daten verfügten. Dies ist jetzt schwieriger geworden: Viele Rechtsextreme sind nicht mehr offensiv aktiv, und noch weniger entsprechen sie dem Stereotyp. In diesem Kontext ging es auch um die Anti-Antifa und darum, warum man sie nicht verbieten kann: Es gibt niemanden, den man konkret behelligen könnte. Von diesem Netzwerk der Datenerhebung und dem stets wechselnden Archivar wusste der Großteil des Jahrgangs wenig bis nichts, umso interessierter hörten wir zu und staunten, was so im Verborgenen der Gesellschaft existiert. Wir können nicht verhehlen, dass dem einen oder der anderen durchaus eine Gänsehaut bei den Schilderungen kam; aber umso klarer wurde es den meisten, dass man doch etwas wachsamer und kritischer durch den Alltag gehen müsste.

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Richtig erschrocken waren wir, als der Referent einen Steckbrief aus den Daten der Anti-Antifa aufrief, welcher eine Aufforderung zur Tötung enthielt. Für uns waren sowohl dies als auch seine Berichte durchaus schockierend und neu, während er selbst gelassen und professionell damit umgeht.

Aber unsere wichtigste Frage war: Was ist das Gefährlichste am Rechtsextremismus für uns persönlich, was können wir tun? Im Rechtsextremismus fand – laut dem Referenten – ein Wandel der Intelligenz statt. Umso schwieriger sei es, Gefährder vorzeitig zu erkennen, wenn auch Richter, Grundschullehrer und andere einflussreiche Personen der Strömung möglicherweise angehören könnten.

Und eine andere wichtige Frage war: Wo ist eigentlich die "Grenze zwischen Verbot und Meinungsfreiheit?" Dass unser Gast besonders auf Recht spezialisiert war, hat uns sehr geholfen, die gesetzlichen Hintergründe zu erkennen und auch besser nachzuvollziehen.

Es ging im weiteren Verlauf der zwei Unterrichtsblöcke außerdem um Zahlencodes, die AfD, den Einfluss der Eltern, die Genderspezifik im Rechtsextremismus und vieles mehr. Bezüglich der Ereignisse in Chemnitz riet uns der Referent beispielsweise für die Zukunft, immer mehrere Quellen zu lesen, da durch die Medien häufig vieles aufgebauscht oder verharmlost wird, um so multiperspektivisch urteilen zu können.

Insgesamt hatte der Referent auf jede Frage sehr gute und interessante Antworten und hat uns trotz des Montagmorgens mit seiner lockeren Art innerhalb der vier Unterrichtsstunden wach und interessiert gehalten, sodass wir wirklich sehr dankbar für dieses Engagement sind! In dieser Form schafft das keiner unserer LehrerInnen im Unterricht, da der Referent eine für uns unglaubliche Kompetenz zu dieser Thematik hatte. Vielen Dank dafür!

K. S., A. D. (Jahrgang 13, LK Geschichte)