Tag der offenen Tür 2018

"Machen Sie denn hier auch Frontalunterricht?"

Ob es die Gipsplastiken im Kunstunterricht sind, die selbst geschriebenen Märchenbücher der sechsten Klasse oder der Mafia-Film des Muk-Kurses: Es gibt immer etwas Neues zu sehen beim Tag der offenen Tür der Voltaireschule. Aber ob das Neue immer das Richtige ist, darüber muss man nicht einer Meinung sein. Die Besucher der Schule waren in diesem Jahr häufig beeindruckt, fragten aber auch kritisch nach und wollten die didaktischen Konzepte genauer verstehen, die sich hinter den präsentierten Produkten verbargen.

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Die oben genannte Frage nach dem Frontalunterricht war von einem etwa 50-jährigen Mann zu hören, der sich leicht irritiert im Deutsch- Klassenzimmer umschaute.
Was sah er? Er sah "Lap Books", von Schülerhand individuell und sehr sorgsam angefertigte Lesetagebücher zum Aufklappen und Entdecken; und er sah Gruppentische und Lernplakate, die SchülerInnen sich bei einem "gallery walk" erschließen, diskutieren und beurteilen können. "Aber die Rechtschreibfehler korrigieren Sie noch, oder?" In einem anderen Raum stand ein anderer Herr etwas ratlos bei den Ipads. "Ich bin doch nicht im Informatikraum?! Mir erschließt sich nicht, was Sie mit den Geräten im Unterricht anfangen." Auch an anderen Stellen war eine gewisse Skepsis gegenüber den neuen oder neueren Lernmethoden spürbar, und ich kann es den Besuchern nicht verdenken – manches geht auch mir sehr schnell, und als ich vor kurzem im Lehrerzimmer sah, wie ein Kollege QR-Codes als Aufkleber auf die schriftlichen Arbeiten seiner SchülerInnen klebte, fühlte ich mich auf einmal sehr alt …

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Dass Lernen mit neuen Medien und Methoden kein Selbstzweck ist, sondern Lernprozesse unterstützt und individuelle Lernwege erschließen lässt, davon konnten sich dann auch die Besucher ein Bild machen. Was für die Generation der heutigen Eltern häufig wie moderner, vielleicht gar überflüssiger Schnickschnack aussieht, ist für die neue Schülergeneration eher eine notwendige Anpassung an die heutige Gesellschaft. Warum nicht mit Lernvideos Mathematik lernen? Muss der Lehrer vorne stehen und dozieren, alldieweil die Schüler mitschreiben und dabei nichts verstehen? Und vielleicht lässt sich die Tiefenstruktur von Goethes Faust eher erschließen, wenn man einen Blog darüber schreibt?

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Jedenfalls wird die Lernkultur durch solche Zugänge abwechslungsreicher. Auch an der Voltaireschule wird natürlich noch viel Konventionelles und Traditionelles gemacht; auch bei uns ist der Lehrer noch Vorbild in vielen Bereichen, und Frontalunterricht findet hier auch statt – wogegen nichts einzuwenden ist, wenn er gut gemacht ist und nicht als einzige Vermittlungsform dasteht. Wir versuchen den Unterricht noch mehr aufzufächern, damit das Hirn nicht noch mehr Falten kriegt. Und das konnte man auch in diesem Jahr überall in der Schule erkennen. Schön ist es dann zu hören, wenn ein ehemaliger Schüler zu seiner Frau sagt: "Das war unser Klassenraum, ich würde mich sofort wieder an denselben Platz setzen."

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Vielen Dank an alle Helferinnen und Helfer, die diese Erkenntnisse ermöglicht haben!

Henning Siemers | Fotos: Anne Lieder