Potsdamer erfinden neues Unterrichtsfach

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Von Nadine Fabian

Ihr Kind spielt ein Instrument? Ist für die Bühne geboren? Malt wie Picasso? Dann dürfte das Angebot, das die Potsdamer Voltaireschule ab September macht, interessant sein. Siebtklässler können dort in der „Werkstatt ästhetische Horizonte“ lernen. Ein deutschlandweit einmaliges Unterrichtsfach, das die Voltaireschule erfunden hat. Thomas Alva Edison – die Glühbirne. Alexander Graham Bell – das Telefon. Die Potsdamer Voltaireschule – WÄH.

WÄH was? Hinter der Abkürzung verbirgt sich die „Werkstatt ästhetische Horizonte“, ein Unterrichtsfach, das die Voltaireschule erfunden hat und das dort im kommenden Schuljahr erstmals in einer der siebten Klassen unterrichtet wird. Es ist eine Kombination aus Deutsch, Kunst, Musik und Theater, abgerundet mit einem Quäntchen Medien und Kommunikation. Zwar gibt es an der Voltaireschule viele Möglichkeiten, sich künstlerisch auszuleben – etwa im Schulorchester, im Chor, in der Theater-AG, in drei Bands und der Trommelgruppe. „Wir wollen dem aber eine neue Qualität geben“, sagt die Leiterin der Voltaireschule Karen Pölk. „Wir wollen junge Menschen, die eine künstlerische Laufbahn einschlagen wollen, speziell fördern, fordern und formen.“
Auch wenn der Name des Neulings auf den ersten Blick abstrakt wirkt, auf den zweiten ist er umso beredter. „Werkstatt ästhetische Horizonte“: Die Erfinder des Ganzen, Karen Pölk und ihr Team, haben eine wirkliche und wahrhaftige Werkstatt im Sinn: Eine Laboratorium für Geistesblitze, eine Traumfabrik, in der junge Kreative zu unbekannten Ufern aufbrechen und über viele Etappen hinweg ein eigenes Werk erschaffen können.
Ein Beispiel gefällig? Während im Deutsch-Unterricht eine Ballade interpretiert, ihre Form analysiert wird und ihre Sprache, treiben es die Werkstatt-Schüler noch weiter. Sie machen sich den Balladenstoff vollends zu eigen, schreiben ihn für die Bühne um, unterlegen ihn mit Musik, vertonen ihn vielleicht sogar. Sie entwerfen und schneidern Kostüme, zimmern ein Bühnenbild, drehen Filmsequenzen, inszenieren eine Fotostory – und bringen ihr Werk nach einem Schuljahr zur Aufführung.
Sicher, die Idee an sich ist nicht neu. Das waren die Glühbirne und das Telefon auch nicht, als Edison und Bell auf den Plan traten, die Technik hier und dort verfeinerten und mit „ihrer“ Erfindung berühmt wurden. Die Voltaireschule hat die Idee vom interdisziplinären Unterrichtsfach mit Konsequenz und Ausdauer in drei Jahren so weit vorangetrieben, dass nach der hauseigenen Schulkonferenz nun auch das Bildungsministerium und das Schulamt das Konzept abgesegnet haben.
„Der Weg war kurvig“, sagt Astrid Lehmann, die WÄH unterrichten wird. „Dieses neue Unterrichtsfach, das viele Fächer vereint, ohne dass sie sich Konkurrenz machen, ist bislang einmalig in ganz Deutschland.“ Das habe sich längst herumgesprochen, so Lehmann. Seit Monaten schon trudeln immer wieder Anfragen aus allen Ecken der Bundesrepublik ins Hause Voltaire: „Viele Schulen interessieren sich für die Werkstatt und fragen, ob wir ihnen das Konzept zuschicken können.“
Zwei Stunden pro Woche sind für WÄH eingeplant. Das Fach ist von gleichem Rang und Wert wie seine etablierten Kollegen. Das bedeutet, dass es ganz normal Zensuren gibt und WÄH so in den Stundenplan integriert ist, dass die Schüler, die es belegen, deswegen nicht mehr Unterricht haben als diejenigen, die nicht dabei sind.
Im September bekommt eine siebte Klasse die Chance, Schulgeschichte zu schreiben. Wer zu den 25 Mädchen und Jungen gehören möchte, muss sich erstens mit seinem Halbjahreszeugnis für die Voltaire-Gesamtschule bewerben und zweitens auf dem Anmeldeformular vermerken, weshalb ihn WÄH interessiert. Eine Vorbildung ist nicht nötig, wer aber schon ein Instrument oder Theater spielt oder anderweitig künstlerisch begabt ist, hat natürlich gute Karten. Willkommen sind in der Werkstatt übrigens auch Inklusionsschüler.
Unterrichtet wird WÄH dann bis zur Zehnten. „Der Plan ist, dass wir danach Theater – auch Darstellendes Spiel – als Leistungskurs anbieten“, verrät Karen Pölk. „Bremen hat das vergangenes Jahr als Schulversuch begonnen. Wir hoffen, dass wir das auch schaffen.“

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