Mathe mal anders und vor allem mit Spaß
Potsdamer Voltaire-Schule beschreitet neue Wege
Von Finnland lernen heißt rechnen lernen: So ähnlich könnte man beschreiben, was die Potsdamer Voltaire-Gesamtschule gerade erprobt. „Mathematiika“ heißt das Konzept, mit dem Schüler der 11. Klasse in Mathematik unterrichtet werden. Dabei sind die Lehrer eher Begleiter denn Pauker, denn die Schüler erarbeiten sich ihr Wissen auf eigene Faust – und sind voll des Lobes.
Von Nadine Fabian
Innenstadt. Wer sich auf einem Pausenhof umhört, bekommt schnell den Eindruck, dass Mathe ein ziemlich übler Bursche ist. Und das ist nicht nur bei Schülern so. „Es ist gesellschaftlich anerkannt, dass man Mathematik nicht kann, dass man Mathematik ablehnt“, sagt Lena Florian. „Das wollen wir ändern.“
Lena Florian ist Lehrerin an der Potsdamer Voltaire-Gesamtschule und betreut gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastian Grabow das vom Unterricht an der finnischen Partnerschule inspirierte Modell „Mathematiika“. Dabei bringen sie Schülern der 11. Klassen lineare, quadratische Funktionen und Co. anders nahe als es hierzulande an den meisten Schulen üblich ist: Sie lassen die Schüler einfach selbst machen. Kann nicht klappen? „Klappt aber“, sagt Sebastian Grabow. Bei Mathematiika geht es kurz gefasst darum, dass sich die Schüler in Freiarbeit selbst Informationen beschaffen und Wissen aneignen. Die Lehrer unterstützen sie, erklären ihnen Dinge, wo es nötig ist, beantworten ihre Fragen und motivieren sie, wenn doch mal die Lust auf Mathe abhanden kommt.
Lehrplan, Noten, eigene Wege
Mathematiika ist an den Lehrplan gebunden, jedoch entscheidet jeder Schüler innerhalb dieses Rahmens selbst, was er sich wann und wie aneignen möchte. Das Pensum ist dabei in Module strukturiert, die die Lehrer zu Beginn des Schuljahres vorstellen: So bekommen die Schüler einen Überblick und sehen, was wie viel Raum einnimmt. Zu jedem Thema gibt es drei Zugänge: den Leser, der zum Beispiel auf Bücher setzt, den Seher, der mit Videos arbeitet, und den Forscher, der sich ein Thema zum Beispiel über Spiele und Forschungsaufträge ertüftelt. Die Schüler können jederzeit zwischen den Zugängen wechseln und in dem Tempo arbeiten, das ihnen liegt.
Alle Mathematiika-Schüler erhalten Noten und beenden die Module mit denselben Tests. Innerhalb eines Moduls hat jeder eine zusätzliche Leistungsbeurteilung abzulegen: Ob Rollenspiel, Lern-Landkarte oder Vortrag – die Art ist frei wählbar.
Ein besseres Mathe-Verständnis und ein besseres Mathe-Verhältnis
Dass Mathematiika klappt, sagen auch die Schüler. Sie schätzen vor allem die offene Lernatmosphäre. „Ich will da jetzt nicht hin – das Gefühl hatte ich früher oft, wenn ich in den Mathe-Unterricht musste“, sagt Maÿlis Schneider (18). Das sei nun schon lange nicht mehr so. Sie sei entspannter und habe ein besseres Verständnis für die Mathematik entwickelt. Ähnlich geht es den Jacob Kayser (16): „Früher hieß es: Die Formel gilt und deshalb wendet ihr sie an. Ich habe mir immer die Frage gestellt: Warum denn? – Jetzt habe ich das Warum, den Hintergrund verstanden.“
Die Universität Potsdam begleitet Mathematiika und evaluiert das Konzept. Nach den Sommerferien beginnt auch eine 8. Klasse mit Mathematiika. Die Kurse aus der jetzigen Jahrgangsstufe 11 bleiben dem Konzept bis zum Abitur treu.
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