Mittagessen in aller Öffentlichkeit

Rund 200 Schüler der Voltaire-Gesamtschule protestieren im Landtag gegen ihre marode Mensat

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Von Grit Weirauch

Innenstadt - Es war ein Flashmob mitten im politischen Tagesgeschäft: Am Plenumstag, kurz vor 13 Uhr, zog ein Zug von rund 200 Schülern der Voltaire-Gesamtschule in das Tor zum Landtag ein. Ihr Ziel: die Kantine. Die Jugendlichen hatten Hunger und wollten mittagessen wie die Abgeordneten. Und sie brauchten eine Öffentlichkeit für ihr Anliegen. Denn die Aktion war als Protest gegen die Situation ihrer eigenen Mensa auf dem Schulgelände in der Lindenstraße gedacht.

Seit fast zehn Jahren ist der sogenannte Speisewürfel der Voltaire-Schule – ein typischer DDR-Mensabau aus den 70er-Jahren – ein Sanierungsfall. Rund 900 Kinder und Jugendliche von der 5. bis zur 13. Klasse besuchen die einzige Gesamtschule der Innenstadt; die Mensa hingegen ist für gerade mal 130 Schüler vorgesehen. Doch der Speisesaal ist nicht nur zu klein, sondern auch marode: Heizungen lassen sich nicht regulieren, Fenster nicht öffnen, immer wieder werden Brandschutzmängel festgestellt. Einen Abriss und den Neubau der Mensa sieht die Stadt erst für 2018 vor. Etliche Brandbriefe hatten Schulleitung, Eltern und Schüler an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bereits geschrieben. Vor wenigen Wochen wollten die Schüler mit einer ähnlichen Kantinen-Aktion im Stadthaus auf sich aufmerksam machen. „Aber da hat es niemanden interessiert“, sagt Edith Schütze aus der 13. Klasse.

Zumindest einen Partner haben die Schüler am Mittwoch an ihrer Seite. Die CDU-Fraktion hat sich des Themas Voltaire-Mensa angenommen und verteilt vor dem Eingang Postkarten. „Wenn’s mal wieder länger dauert mit der Mensa, machen wir den Behörden Dampf“, steht darauf. An die Karte hat die CDU einen Schokoriegel getackert.

Kurz darauf drängen die Jugendlichen ins Foyer. Die wenigen verbleibenden Besucher ziehen sich zurück, ein Gespräch ist nun hier eh nicht mehr möglich. Henryk Wichmann und Gordon Hoffmann sind von der CDU gekommen, um den Schülern ihre Unterstützung zuzusichern. Schülersprecher Moritz Rütenik überreicht Wichmann als Vorsitzendem des Petitionsausschusses eine Petition an den Landtag. Das Gleiche hatten Elternvertreter in der letzten Wahlperiode getan. Damals schon wurde die Petition abgewiesen, da es nicht Aufgabe des Landes ist, Schulgebäude zu sanieren. Und auch diesmal muss Wichmann den anwesenden Jugendlichen sagen: „Ich nehme die Petition gerne an. Aber es fällt in die Zuständigkeit der Stadt Potsdam. Jakobs ist dafür verantwortlich und hat für eine Besserung der Situation zu sorgen.“ Er könne nicht nachvollziehen, wie „in einer so großen und prächtigen Stadt wie Potsdam“ es nicht möglich sei, für 900 Schüler gute Essensbedingungen zu schaffen.

Erneut wird der Ausschuss den Oberbürgermeister um eine Stellungnahme bitten. „Da muss in absehbarer Zeit etwas passieren“, sagt Wichmann und erntet dafür tosenden Applaus der Jugendlichen. Dass allein die Bearbeitung der Petition drei Monate dauere, wie Wichmann weiter sagt, geht unter. „Es muss zu einer Lösung kommen“, sagt auch Schülersprecher Moritz Rütenik. Die Voltaire sei die bestangewählte Gesamtschule – „und hier fallen Teile von der Decke“. Es ärgere ihn, dass die Stadt den Streit um die Mensa als Luxusproblem degradiere. „Das ist überhaupt nicht vertretbar.“

Nach der Übergabe der Petition wollen die Schüler nun endlich essen. Doch das gehe nicht, sagt Wichmann. Die Kantine sei für 200 Gäste zu klein. Nur diejenigen, die sich angemeldet hätten, dürften in die vierte Etage. Die anderen müssten den Landtag verlassen. Er erntet langanhaltende Buhrufe.

Oben in der Kantine sitzen lediglich zwei Schüler. „Wir hatten einfach Hunger“, sagt Sebastian Liesecke vor leerem Teller. „Das Essen ist echt gut hier.“ Er könne sich vorstellen, hier öfters essen zu gehen. Politiker sollten, so der 18-Jährige, einen stärkeren Fokus auf die Ernährung legen. „Gesunde und fitte Schüler schreiben bessere Noten.“

Die meisten Schüler haben unterdessen den Landtag wieder verlassen. Manche verdrücken draußen auf einer Bank den CDU-Schokoriegel.

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