Eine bewegende Unterrichtsstunde für den 9. Jahrgang

DAS ANDERE LEBEN – Ein Live-Hörspiel nach der Autobiografie von Solly Ganor (am 14.11.2019 in der Aula der Schule)

Der Spot fällt minutenlang auf einen Tisch, auf dem sich ein Stapel Papiere und eine Brille befinden. Dann tritt Thomas Darchinger in das Licht, ein Schauspieler, der in vielen Filmen und Serien mitgespielt hat. Er führt zunächst allgemein in die Bedeutung der Demokratie für unser Zusammenleben ein und erzählt dann die Geschichte des jüdischen Jungen Solly Ganor. Eine kurze Videoeinspielung zeigt ihn uns im hohen Alter.

Die in der Ich-Perspektive geschriebene Autobiografie ist sehr spannend und emotional. Darchinger trägt die Geschichte frei vor: mal mit ruhiger Stimme in der Erinnerung an eine Reise schwelgend, dann ängstlich flüsternd oder als Aufseher Befehle brüllend, hastig mit Worten die Ereignisse vorantreibend … dann wieder Schmerz und echte Traurigkeit in der Stimme. Er lässt Pausen, um das Gesprochene wirken zu lassen oder um die Zeit, die in der Geschichte verrinnt, anschaulich zu machen. Thomas Darchinger spricht den Text so authentisch, dass wir die Situationen nachempfinden und das Entsetzen über das Geschehene, aber auch die kleinen Momente der Ruhe mitfühlen können – und bei dem Gebrüll des Aufsehers geschockt zusammenzucken. Zurückhaltend und aus dem Dunkeln heraus agiert dazu der Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid am Vibraphon. Die Musik unterstreicht teilweise die jeweilige Stimmung und erzeugt Gänsehaut.

DAL2 DaL1 DAL3
Wir erfahren viel über das Leben im KZ, über Freundschaft, gegenseitige Hilfe und Zusammenhalt, aber auch über die Methoden der Nazis, einzelne Gefangene durch Bevorzugung herauszustellen, das Bedürfnis der Gefangenen, sich kleine Vorteile zu verschaffen. Bei allen entsetzlichen Erlebnissen lässt sich Solly, die reine Schneefläche betrachtend, nicht den Blick für das Schöne im Leben nehmen und zweifelt am Ende doch, ob Gott die richtige Entscheidung getroffen hat, gerade ihn überleben zu lassen.

Unmittelbar nach der Aufführung ist es schwer, unsere Empfindungen in Worte zu fassen. Die ganze Zeit hat eine angespannte Stimmung geherrscht, auch wenn die Länge des Stückes uns viel Konzentration abverlangte. Das Ende stimmt hoffnungsvoll: Für Solly geht das Leben weiter. Wir erahnen aber auch, dass dieses Überleben, mit all den vielen toten Freunden und Familienangehörigen, eine Last sein kann.

Solly Ganor hat beschlossen, diese Last zu teilen und für die Nachgeborenen festzuhalten, damit die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten. Thomas Darchinger und Wolfgang Lackerschmid haben dieses ernste, aber auch anrührende Vermächtnis authentisch an uns weitergegeben. Sie hatten uns die ganze Zeit im Blick und machen zum Schluss nochmal deutlich, dass eine Diktatur auf keinen Fall wieder eintreten darf. Es sei wichtig, die eigene Meinung frei äußern zu können und ein individuelles, selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir können das nur bestätigen und stellen fest, dass diese Art der Wissensvermittlung in uns nachhallt und uns zum Nachdenken gebracht hat.

Klasse 9W (Fotos: H. Böttger)