Bundesministerin Karliczek besucht Potsdamer Voltaireschule

Digitalisierung an Schulen ist das Thema der Stunde. Der Bund will dafür fünf Milliarden Euro investieren. Die Voltaireschule Potsdam zeigt der Bundesbildungsminsterin, wie kluge Anwendung das Lernen voranbringt.

maz logo

Von Rüdiger Braun

Potsdam. Auf dem Smartboard blinken über den Strichzeichnungen von Faust und Gretchen die Herzchen. Die Tabelle, die die Klasse 10 L der Potsdamer Voltaireschule, erstellt hat, lässt erkennen, dass die Schüler offenbar jede einzelne Szene in Faust I mit der berühmten Heldin Johann Wolfgang von Goethes sorgfältig durchgegangen sind und sie nach ihrem Sinn und Zweck zerlegt haben – und das anscheinend interaktiv in Kleingruppen am Rechner.

Nicht ohne Gewinn. Die Schülerin Nele referiert zum Beispiel, dass Goethe die berühmte Figur immer dann Margarete nennt, wenn sie mit Faust zusammen ist. In vielen dieser Begegnungen biete sie dem Gelehrten einen starken Kontrapunkt und ändere sich auch. Ist sie alleine und unsicher, heiße sie immer Gretchen. Der Deutschlehrer Björn Nölte freut sich. „Das habt ihr ganz gut bearbeitet.“ Jetzt sollte wieder am Rechner überlegt werden, wie man die Figur Gretchen am besten im Theater darstellen könnte. „Die meisten sind schon fertig“, erfährt er. Digitaler Unterricht kann sehr effizient sein.

Ministerinnen drücken die Schulbank

Dieser Mittwoch ist ein besonderer Schultag. Zwischen die Schüler setzen sich immer wieder Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) in die Bänke und schauen, wie sich der digitale Wandel in einer konkreten Schule auswirkt. Karliczek hat hier ein besonderes Interesse. Gerade hat auch der Bundesrat den Digitalpakt für Schulen frei gegeben. Vielleicht schon nach Ostern könnte auch die Voltaireschule im Bildungsministeriums des Landes Brandenburg einen Antrag auf Förderung einreichen und von dem fünf Milliarden Euro umfassenden Topf profitieren.

„Führen Whiteboards und schnelles Internet automatisch zu besserer Bildung“, fragt das Bundesministerium selbst auf seiner Webseite. Natürlich nicht, lautet die Antwort. Es muss schon ein Konzept dahinter stehen. Da muss sich die Potsdamer Voltaireschule wirklich nicht verstecken. Schon 1998 beteiligte sie sich an der Initiative „Medien und Kommunikation“, seit etwa zweieinhalb Jahren fährt die Schule verstärkt die digitale Schiene, seit einem dreiviertel Jahr werden die sogenannten Chrome-Books von Google benutzt. Von einer Vorreiterrolle würde Schulleiterin Karen Pölk nicht sprechen.

Sie weiß aber auch: „Wir sind auf einem guten Weg.“ In immer mehr Fächer und von immer mehr Lehrer werden Systeme wie Chrome-Books eingesetzt. Karliczek und Ernst finden allein an diesem Tag drei Klassen unterschiedlicher Stufe vor, bei denen der Literatur-, der Geschichts- und der Grammatikunterricht interaktiv am Rechner stattfindet. Aufgeräumt wie ein Nachrichtensprecher erläutern schon die elfjährigen Schülerinnen der Deutschlehrerin Nadja Möhring, wie ihnen das System einen Überblick über den Lehrstoff und die Lernziele erlaubt und wie sie ihren eigenen Kenntnisstand einordnen können.

Teilweise sind die Voltaire-Schüler selbst treibende Kräfte bei der Digitalisierung. Der technikbegeisterte Neuntklässer Yoan sagt den beiden Ministerinnen, dass er immer wieder für den Einsatz entsprechender Technik plädiert hat. Er selbst fertigt kaum noch eine Notiz handschriftlich an. Am digitalen Arbeiten schätzt er zum Beispiel, dass er auch noch Jahre später die Mitschriften problemlos finden und dem jeweiligen Thema, ja dem Unterrichtstag zuordnen kann.

Der Rechner ordnet die Mitschriften

Größere Systematik war auch für die baldige Abiturientin Emma ein Grund, sich digital zu orientieren. Wenn sie am Rechner schreibe, könne sie sich viel leichter korrigieren. „Ich kann besser strukturieren. Sachen vom Anfang an eine andere Stelle zu setzen, geht viel schneller.“ Der gleichaltrige Luic erwähnt, dass er bei einer Hausarbeit am Wochenende eine Randnotiz seines Lehrers entdeckte. Kurz trat er online mit ihm in Kontakt und konnte so am Montag gleich ein viel besseres Konzept abgeben. Dieses durch digitales Arbeiten ermöglichte Korrigieren schon beim Erledigen einer Aufgabe setze sich an deutschen Schulen erst langsam durch, meint Deutschlehrer Björn Nölte. Noch gebe es nicht mal eine Übersetzung für digitales „Assessment“, also Beurteilung.

„Toll“ und „Super“ kommentieren beide Ministerinnen immer wieder die Erläuterungen von Schülern und Lehrern. Wenn die Digitalisierung gelingen solle, brauche es erst ein gutes Konzept, dann ausgebildete Lehrkräfte und schließlich die Technik – „genau in dieser Reihenfolge“, sagt Bundesbildungsministerin Karliczek der MAZ. „Das hat sich hier schon gezeigt, dass das genau die richtige Reihenfolge ist.“ Auch die brandenburgische Ministerin ist mit dem „anspruchsvollen Schulbesuch“ zufrieden. Die Voltaireschule habe gezeigt, dass sie sich der Herausforderung Digitalisierung stelle, sagt Ernst. „Sie kann sich auf das Geld aus dem Digitalpakt freuen.“

Link zum Presseartikel