Ausgerechnet beim Ministerinnen-Besuch fällt das W-Lan aus

Voltaire-Schule in Potsdam

Die Potsdamer Voltaire-Schule arbeitet beispielhaft mit Computern. Zwei Ministerinnen überzeugten sich vor Ort. Dabei klappte allerdings nur scheinbar alles wie geplant.

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MM1MM2Fotos: A. Klaer
Von Jana Haase

Potsdam - Stell dir vor, zwei Bildungsministerinnen besuchen eine Schule, um sich über vorbildhafte digitale Lernmethoden zu informieren – und dann fällt das W-Lan aus. Vor dieser Situation stand am Mittwoch die Voltaireschule in der Potsdamer Innenstadt. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und ihre Brandenburger Amtskollegin Britta Ernst (SPD) hatten sich zum Besuch in der Gesamtschule angemeldet, weil dort schon seit langem und in vielen Fächern mit Computern gearbeitet und Neues ausprobiert wird, wo manche Schüler sogar komplett von Papier auf Rechner umstellen konnten. Aufzeichnungen werden auf „Google Classroom“, einer internetbasierten Lernplattform für Schulen, gespeichert und können von überall aus abgerufen werden. „Das ist unglaublich praktisch, es gibt keinen Zettelsalat mehr“, wie es ein Schüler aus dem 13. Jahrgang beschreibt.

Die Schule hatte vorgesorgt

Seit vergangenem Freitag gebe es einen Internetausfall: „Dienstag ging es eigentlich wieder.“ Am Mittwoch sei das W-Lan dann instabil gewesen. Die Lehrer seien aber ohnehin auf Technikprobleme vorbereitet: „Wir haben immer einen Notfallplan.“ Pölk wünscht sich dringend mehr Personal bei der zuständigen IT-Abteilung im Rathaus: „Die Stadt muss mehr Leute einstellen!“

Der Personalengpass im IT-Bereich sorgt schon seit Monaten für enorme Wartezeiten: So zieht sich unter anderem die Installation von neuen Computern für 15 Schulen, die im vergangenen Jahr gekauft wurden, voraussichtlich noch bis zu den Sommerferien hin. Die offenen Stellen sind immer noch nicht besetzt, wie Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) den PNN am Mittwoch sagte: „Wir sind in Bewerbungsgesprächen.“

Goethes Faust wird mit Laptops auf dem Schoß analysiert

Was mit entsprechender Technik möglich ist und wie sie das Lernen an der Voltaireschule schon verändert hat, das wurde am Mittwoch bei Hospitationen in drei Klassen dennoch deutlich. Im Deutschunterricht in der zehnten Klasse etwa arbeiteten die Schüler zu Goethes „Faust“ – mit Laptops auf den Knien: Thema war die Entwicklung von Gretchen. Um die Figur zu analysieren, haben die Schüler im „Google Classroom“ eine Art Tabelle angelegt mit allen Szenen, in denen Gretchen auftaucht. Auf das Dokument haben alle Schüler Zugriff. In Kleingruppen wurden dann jeweils einzelne Szenen analysiert: Was passiert? Ist Gretchen eher passiv oder aktiv? Gibt es ein Muster dafür, wann sie „Margarethe“ und wann „Gretchen“ genannt wird?

Neben kurzen Texten erstellten die Schüler auch Gifs, also Kurzanimationen, in denen das Geschehen der Szene auf den Punkt gebracht wird. Das sei eine Idee der Schüler gewesen, sagte Lehrer und Oberstufenkoordinator Björn Nölte den PNN: „Ich wusste auch nicht, wie man diese Gifs hochladen kann.“ Aber das habe man sich gemeinsam erarbeitet.

Die Schüler stellen ihren Lernfahrplan selbst zusammen

Im Geschichtsunterricht in der elften Klasse wird kursübergreifend gearbeitet: Die Schüler können sich ihren Lernfahrplan selbst zusammenstellen. Auch dabei spielt die Plattform eine wichtige Rolle, wie zwei Elftklässlerinnen Bildungsministerin Karliczek erklärten: Von fünf angebotenen Themenfeldern können die Schüler vier auswählen, zu denen sie sich dann jeweils für Workshops und Projekte melden können. Den eigenen Lernfortschritt bewerten die Schüler in sogenannten „Ich-kann-Listen“ mit verschiedenen Farben: von Schwarz wie „noch nicht bearbeitet“ bis Grün für „so gut verstanden, dass ich es anderen erklären kann“. Anhand der Listen könne man sich auch Mitschüler für eine Zusammenarbeit oder Hilfe suchen. Auch die Lehrer haben Zugriff auf die Dokumente und können Hinweise geben. Die Arbeit mit „Google Classroom“ beginnt bereits in der sechsten Klasse.

Seit einem guten halben Jahr arbeitet die Voltaireschule mit Google in einem Pilotprojekt zusammen, erklärte Oberstufenkoordinator Björn Nölte. Die Schule bekam unter anderem 30 spezielle Laptops zur Verfügung gestellt – inklusive Einrichtung: „Ein Tag Lieferzeit, an einem Tag angeschlossen.“ Zum Projekt gehören auch Schulungen von Lehrkräften. Die Google-Plattform sei datenschutzrechtlich unbedenklich, sagt Nölte: „Google Classroom“ habe vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die höchste Zertifizierung C5 bekommen.

Sogar Klausuren können am Computer geschrieben werden

Auch Klausuren können die Schüler in einigen Fächern am Computer schreiben – es bleibe aber jedem freigestellt, das weiter in Handschrift zu tun, betont Nölte. Von den rund 860 Schülern seien mittlerweile rund 670 bei der Lernplattform angemeldet, bei den Lehrern seien es etwa zwei Drittel. Für die Lehrer ist die Nutzung der Lernplattform freiwillig, wie Schulleiterin Pölk sagte: „Wir hätten auch gar nicht die Ausstattung, dass wir das allen ermöglichen könnten.“ 55 iPads, 20 Laptops und die 30 Chromebooks von Google gebe es neben den sechs Computerräumen: „Die älteren Schüler bringen auch mal ihre eigenen Endgeräte mit.“ Das könne man aber natürlich nicht vorschreiben.

Bundesbildungsministerin Karliczek hält das Engagement von Google an Schulen für unproblematisch: „Wichtig ist, dass der Datenschutz gesichert ist“, sagte sie auf PNN-Nachfrage. Bekanntlich hat der Bund gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) eine eigene Lernplattform, die Schul-Cloud, gestartet.

Mit dem Digitalpakt für Schulen hat der Bund jüngst ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm beschlossen – umgesetzt werden muss es auf Landesebene. Wann genau die ersten Gelder in Brandenburg fließen, sei noch unklar, sagte Landesbildungsministerin Britta Ernst den PNN. Es soll „in diesem Jahr passieren“, so die Ministerin: „Es wird jede Schule in Brandenburg profitieren.“

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